30.08.2010

Diskriminierung wegen ethnischer Herkunft durch Ausgestaltung des Auswahlverfahrens

Ein kurzer unangemeldeter Telefonanruf beim Bewerber ist nicht geeignet, eine ausreichende Grundlage für die Beurteilung seiner Deutschkenntnisse zu liefern. Lässt sich der Arbeitgeber bei seiner Auswahlentscheidung alleine hiervon leiten, liegt darin ein zum Schadenersatz verpflichtender Verstoß gegen das Verbot der mittelbaren Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft.

Diese Entscheidung traf das Arbeitsgericht (ArbG) Hamburg im Fall eines Unternehmens der Postbranche, das Postzusteller suchte. Die Stellenausschreibung sah vor, dass die deutsche Sprache in Wort und Schrift beherrscht wird. Hierauf bewarb sich der an der Elfenbeinküste geborene Kläger, dessen Muttersprache Französisch ist.

Bei Bewerbungen dieser Art nahm der Arbeitgeber üblicherweise den Erstkontakt über das Telefon auf. Auch der Kläger wurde aufgrund seiner Bewerbung von einer Mitarbeiterin des Arbeitgebers angerufen. Sie fragte ihn, ob er Fahrrad fahren könne. Da die Mitarbeiterin bei dem Telefongespräch zu der Einschätzung gelangte, dass der Kläger sich nicht ansprechend klar und deutlich in deutscher Sprache auszudrücken vermochte, wurde die Bewerbung des Klägers abgelehnt. Dieser fühlte sich durch diese Vorgehensweise diskriminiert und verlangte Schadenersatz.

Das ArbG gab ihm recht. In der Vorgehensweise des Arbeitgebers liege nach Ansicht des Gerichts eine mittelbare Benachteiligung von Bewerbern, deren Muttersprache nicht deutsch sei. Denn für Angehörige anderer Ethnien sei es typischerweise schwerer als für muttersprachlich deutsche Bewerber, bei dem telefonischen Erstkontakt ein ansprechend klares und deutliches Ausdrucksvermögen in deutscher Sprache zu zeigen. Das vom Arbeitgeber angewandte Auswahlverfahren sei nicht durch ein legitimes Ziel sachlich gerechtfertigt. Das Verfahren sei weder geeignet noch erforderlich, um zu ermitteln, ob ein Bewerber die für die Tätigkeit eines Postzustellers notwendigen Kenntnisse der deutschen Sprache in Wort und Schrift mitbringe. Zum einen sei ein kurzer telefonischer Kontakt keine hinreichende Grundlage, um die sprachlichen Fähigkeiten des Bewerbers festzustellen. Zum anderen sei das herangezogene Auswahlkriterium – nämlich das ansprechend klare und deutliche Ausdrucksvermögen in deutscher Sprache (am Telefon) – für die zu besetzende Stelle eines Postzustellers nicht angemessen. Erforderlich sei für einen Postzusteller lediglich eine für die Kundenkommunikation und die Kommunikation mit dem Arbeitgeber und den Kollegen hinreichende Sprachkenntnis in Wort und Schrift (ArbG Hamburg, 25 Ca 282/09).

Quelle: IWW Institut für Wirtschaftspublizistik Verlag Steuern – Recht – Wirtschaft GmbH & Co. KG