27.10.2010

Betriebsbedingte Kündigung: Wegfall von Arbeitsbedarf muss nachvollziehbar erläutert werden

Wird ein Arbeitsvertrag nur für einen befristeten Zeitraum geschlossen, endet das Arbeitsverhältnis automatisch mit Ablauf der vereinbarten Frist. Einer Kündigung bedarf es dann nicht. Ob eine solche sozial gerechtfertigt wäre, spielt keine Rolle. Denn die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes finden nur dann Anwendung, wenn das Arbeitsverhältnis durch eine Kündigung des Arbeitgebers beendet wird. Mit anderen Worten: Mit dem Abschluß eines befristeten Arbeitsvertrages kann der Arbeitgeber die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes
vermeiden.

 

Ließe man diese Vermeidungsstrategie uneingeschränkt zu, wäre der im Kündigungsschutzgesetz garantierte Kündigungsschutz obsolet. Aus diesem Grund muß der Abschluß eines befristeten Arbeitsvertrages durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein. Dieser von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz wurde durch das zum 1. Januar 2001 in Kraft getretene Teilzeit- und Befristungsgesetz in § 14 Abs. 1 ausdrücklich übernommen. Zugleich benennt die Vorschrift acht Beispiele für einen die Befristung rechtfertigenden sachlichen Grund. Ein solcher ist insbesondere dann gegeben, wenn

   1. der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht;
   2. die Befristung im Anschluß an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlußbeschäftigung zu erleichtern;
   3. der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird;
   4. die Eigenart der Arbeitsleistung die Beschäftigung rechtfertigt;
   5. die Befristung zur Erprobung erfolgt;
   6. in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen;
   7. der Arbeitnehmer aus Haushaltmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird oder
   8. die Befristung auf einem gerichtliche Vergleich beruht.

Da der im Kündigungsschutzgesetz verankerte Kündigungsschutz von vielen als Einstellungshindernis betrachtet wird, hat der Gesetzgeber bereits 1985 begonnen, Ausnahmenregelungen zu erproben, die die Begründung befristeter Arbeitsverhältnisse zulassen, ohne daß die Befristung durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein müßte. So ist nach § 14 Abs. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz bei einer erstmaligen Einstellung die Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines befristeten Arbeitsverhältnisses zulässig. Etwas anderes gilt nur dann, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Ferner gestattet § 14 Abs. 2a Teilzeit- und Befristungsgesetz neu gegründeten Unternehmen die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen auf bis zu vier Jahre.

Eine weitere Ausnahme vom Verbot der sachgrundlosen Befristung findet sich in § 14 Abs. 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz. In der seit dem 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Fassung dieser Bestimmung bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrages keines sachlichen Grundes, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat, es sei denn, daß zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Letzteres ist insbesondere dann anzunehmen, wenn zwischen den Arbeitsverträgen ein Zeitraum von weniger als sechs Monaten liegt. Mit anderen Worten: Wird der Arbeitnehmer in einem Alter von mindestens 52 Jahren eingestellt, kann sein Arbeitsverhältnis bis zu seinem endgültigen Ausscheiden aus dem Arbeitsleben immer wieder und beliebig lange bzw. kurz befristet werden. Von dieser faktischen Abschaffung des Kündigungsschutzes für neu eingestellte ältere Arbeitnehmer im Alter erhofft sich der Gesetzgeber die Verbesserung der Beschäftigungschancen älterer Arbeitsloser, die besonders oft langzeitarbeitslos sind.

Mit Urteil vom 22. November 2005 (Rs. C-144/04, Mangold./.Helm) hat nun der Europäische Gerichtshof festgestellt, daß § 14 Abs. 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz gegen das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung verstößt. Die nationalen Gerichte dürfen diese Vorschrift daher ab sofort nicht mehr anwenden. Der Gerichtshof befand, die Anwendung des § 14 Abs. 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz habe zur Folge, daß allen Arbeitnehmern, die das 52. Lebensjahr vollendet haben, unterschiedslos – gleichgültig, ob und wie lange sie vor Abschluß des Arbeitsvertrags arbeitslos waren – bis zum Erreichen des Alters, ab dem sie ihre Renteansprüche geltend machen können, befristete, häufig verlängerbare Arbeitsverträge angeboten werden können. Diese große Gruppe von Arbeitnehmern laufe daher während eines erheblichen Teils ihres Berufslebens Gefahr, von festen Beschäftigungsverhältnissen ausgeschlossen zu sein. Zwar sei der Gesetzgeber befugt, ältere Arbeitnehmer zum Zwecke der Förderung ihrer Eingliederung in Beschäftigungsverhältnisse gegenüber jüngeren Arbeitnehmern zu benachteiligen. Die vom deutschen Gesetzgeber in § 14 Abs. 3 Teilzeitund Befristungsgesetz gewählte Regelung sei jedoch – so der Europäische Gerichtshof – unverhältnismäßig, da sie allein am Alter anknüpft und weder die Struktur des jeweiligen Arbeitsmarktes noch die persönliche Situation des betroffenen Arbeitnehmers berücksichtigt.

Welche Bedeutung hat dieses Urteil für die arbeitsrechtliche Praxis?
§ 14 Abs. 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz darf ab sofort nicht länger angewendet werden, und zwar weder in der Privatwirtschaft noch im öffentlichen Dienst. Dies bedeutet, dass die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer, deren Arbeitsvertrag auf der Grundlage von § 14 Abs. 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz befristet wurde, nur dann wirksam befristet sind, wenn die Befristung – auch hinsichtlich der Befristungsdauer – durch einen sachlichen Grund im Sinne von § 14 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz gerechtfertigt ist. Gibt es keinen sachlichen Grund, dann kann die Befristung im Falle einer Ersteinstellung nach § 14 Abs. 2 Teilzeit und Befristungsgesetz und im Falle einer Unternehmensgründung nach § 14 Abs. 2a Teilzeit- und Befristungsgesetz wirksam sein. Greifen auch diese Bestimmungen nicht, beispielsweise weil der Vertrag auf einen längeren Zeitraum als zwei Jahre befristet wurde oder weil zuvor bereits ein Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber bestanden hat, gilt der befristete Arbeitsvertrag gem. § 16 S. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz als auf unbestimmte Zeit geschlossen.

 
Der Arbeitgeber kann das auf diese Weise entstandene unbefristete Arbeitsverhältnis frühestens zum (unwirksam) vereinbarten Ende des Arbeitsvertrags kündigen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung im befristeten Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbart worden war. Besteht das Arbeitsverhältnis zum Kündigungszeitpunkt jedoch länger als sechs Monate und beschäftigt der Arbeitgeber mehr als fünf (bzw. zehn) Arbeitnehmer, findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung. Eine Kündigung des Arbeitgebers ist dann nur wirksam, wenn sie sozial gerechtfertigt ist. Dies bedeutet, dass die Kündigung nur wirksam ist, wenn entweder durch in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers oder aber dringende betriebliche Gründe gegeben sind.

Inwieweit die Unanwendbarkeit des § 14 Abs. 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz tatsächlich die in der Presse prognostizierten „gravierenden Auswirkungen“ haben wird, bleibt dennoch abzuwarten. Denn abgesehen davon, dass eine nach § 14 Abs. 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz unwirksame Kündigung – wie soeben dargelegt – nach § 14 Abs. 1, Abs. 2 oder Abs. 2a Teilzeit- und Befristungsgesetz wirksam sein kann, bleibt dem Arbeitnehmer, dessen Arbeitgeber auf dem Standpunkt steht, dass der Arbeitsvertrag wirksam befristet wurde, nur der rasche Weg vor das Arbeitsgericht: Nach § 17 Teilzeit- und Befristungsgesetz muss innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des (unwirksam) befristeten Arbeitsvertrags beim Arbeitsgericht Klage auf Feststellung erhoben werden, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung nicht beendet ist. Wird diese Klagefrist versäumt, bleibt es bei der automatischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Fristablauf – und zwar auch dann, wenn die Befristung tatsächlich unwirksam war.

Zum gemeinschaftsrechtlichen Verbot der Altersdiskriminierung und seiner Bedeutung für das deutsche Arbeitsrecht vgl. Marlene Schmidt/Daniela Senne, Recht der Arbeit 2002, 80-89; ferner Marlene Schmidt, Das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters in Beschäftigung und Beruf, Ein neuer (nicht nur) arbeitsrechtlicher Parameter mit erheblichen Folgewirkungen, Krititsche Vierteljahresschrift 2004, 244-254.

Zuletzt geändert am: Oct 27 2010 um 10:03 AM
Eine weitere Ausnahme vom Verbot der sachgrundlosen Befristung findet sich in § 14 Abs. 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz. In der seit dem 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Fassung dieser Bestimmung bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrages keines sachlichen Grundes, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat, es sei denn, daß zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Letzteres ist insbesondere dann anzunehmen, wenn zwischen den Arbeitsverträgen ein Zeitraum von weniger als sechs Monaten liegt. Mit anderen Worten: Wird der Arbeitnehmer in einem Alter von mindestens 52 Jahren eingestellt, kann sein Arbeitsverhältnis bis zu seinem endgültigen Ausscheiden aus dem Arbeitsleben immer wieder und beliebig lange bzw. kurz befristet werden. Von dieser faktischen Abschaffung des Kündigungsschutzes für neu eingestellte ältere Arbeitnehmer im Alter erhofft sich der Gesetzgeber die Verbesserung der Beschäftigungschancen älterer Arbeitsloser, die besonders oft langzeitarbeitslos sind.

Mit Urteil vom 22. November 2005 (Rs. C-144/04, Mangold./.Helm) hat nun der Europäische Gerichtshof festgestellt, daß § 14 Abs. 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz gegen das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung verstößt. Die nationalen Gerichte dürfen diese Vorschrift daher ab sofort nicht mehr anwenden. Der Gerichtshof befand, die Anwendung des § 14 Abs. 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz habe zur Folge, daß allen Arbeitnehmern, die das 52. Lebensjahr vollendet haben, unterschiedslos – gleichgültig, ob und wie lange sie vor Abschluß des Arbeitsvertrags arbeitslos waren – bis zum Erreichen des Alters, ab dem sie ihre Renteansprüche geltend machen können, befristete, häufig verlängerbare Arbeitsverträge angeboten werden können. Diese große Gruppe von Arbeitnehmern laufe daher während eines erheblichen Teils ihres Berufslebens Gefahr, von festen Beschäftigungsverhältnissen ausgeschlossen zu sein. Zwar sei der Gesetzgeber befugt, ältere Arbeitnehmer zum Zwecke der Förderung ihrer Eingliederung in Beschäftigungsverhältnisse gegenüber jüngeren Arbeitnehmern zu benachteiligen. Die vom deutschen Gesetzgeber in § 14 Abs. 3 Teilzeitund Befristungsgesetz gewählte Regelung sei jedoch – so der Europäische Gerichtshof – unverhältnismäßig, da sie allein am Alter anknüpft und weder die Struktur des jeweiligen Arbeitsmarktes noch die persönliche Situation des betroffenen Arbeitnehmers berücksichtigt.

Welche Bedeutung hat dieses Urteil für die arbeitsrechtliche Praxis?
§ 14 Abs. 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz darf ab sofort nicht länger angewendet werden, und zwar weder in der Privatwirtschaft noch im öffentlichen Dienst. Dies bedeutet, dass die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer, deren Arbeitsvertrag auf der Grundlage von § 14 Abs. 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz befristet wurde, nur dann wirksam befristet sind, wenn die Befristung – auch hinsichtlich der Befristungsdauer – durch einen sachlichen Grund im Sinne von § 14 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz gerechtfertigt ist. Gibt es keinen sachlichen Grund, dann kann die Befristung im Falle einer Ersteinstellung nach § 14 Abs. 2 Teilzeit und Befristungsgesetz und im Falle einer Unternehmensgründung nach § 14 Abs. 2a Teilzeit- und Befristungsgesetz wirksam sein. Greifen auch diese Bestimmungen nicht, beispielsweise weil der Vertrag auf einen längeren Zeitraum als zwei Jahre befristet wurde oder weil zuvor bereits ein Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber bestanden hat, gilt der befristete Arbeitsvertrag gem. § 16 S. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz als auf unbestimmte Zeit geschlossen.

 
Der Arbeitgeber kann das auf diese Weise entstandene unbefristete Arbeitsverhältnis frühestens zum (unwirksam) vereinbarten Ende des Arbeitsvertrags kündigen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung im befristeten Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbart worden war. Besteht das Arbeitsverhältnis zum Kündigungszeitpunkt jedoch länger als sechs Monate und beschäftigt der Arbeitgeber mehr als fünf (bzw. zehn) Arbeitnehmer, findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung. Eine Kündigung des Arbeitgebers ist dann nur wirksam, wenn sie sozial gerechtfertigt ist. Dies bedeutet, dass die Kündigung nur wirksam ist, wenn entweder durch in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers oder aber dringende betriebliche Gründe gegeben sind.

Inwieweit die Unanwendbarkeit des § 14 Abs. 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz tatsächlich die in der Presse prognostizierten „gravierenden Auswirkungen“ haben wird, bleibt dennoch abzuwarten. Denn abgesehen davon, dass eine nach § 14 Abs. 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz unwirksame Kündigung – wie soeben dargelegt – nach § 14 Abs. 1, Abs. 2 oder Abs. 2a Teilzeit- und Befristungsgesetz wirksam sein kann, bleibt dem Arbeitnehmer, dessen Arbeitgeber auf dem Standpunkt steht, dass der Arbeitsvertrag wirksam befristet wurde, nur der rasche Weg vor das Arbeitsgericht: Nach § 17 Teilzeit- und Befristungsgesetz muss innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des (unwirksam) befristeten Arbeitsvertrags beim Arbeitsgericht Klage auf Feststellung erhoben werden, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung nicht beendet ist. Wird diese Klagefrist versäumt, bleibt es bei der automatischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Fristablauf – und zwar auch dann, wenn die Befristung tatsächlich unwirksam war.

Zum gemeinschaftsrechtlichen Verbot der Altersdiskriminierung und seiner Bedeutung für das deutsche Arbeitsrecht vgl. Marlene Schmidt/Daniela Senne, Recht der Arbeit 2002, 80-89; ferner Marlene Schmidt, Das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters in Beschäftigung und Beruf, Ein neuer (nicht nur) arbeitsrechtlicher Parameter mit erheblichen Folgewirkungen, Krititsche Vierteljahresschrift 2004, 244-254.