16.11.2015

Das Behindertentestament

von Notarin Bettina Schmidt

Machen Eltern ein Testament, so wollen sie in der Regel gewährleisten, dass der überlebende Ehegatte sowie die Kinder ausreichend versorgt sind und das Familienvermögen in den nächsten Generationen erhalten bleibt. Haben die Eltern ein behindertes Kind, ist ihnen dessen Versorgung natürlich besonders wichtig.

Problematisch wird es, wenn das behinderte Kind im erheblichen Umfang auf Hilfe von Dritten angewiesen ist und somit Sozialleistungen beziehen muss. Wird das behinderte Kind von den Eltern einfach als Erbe oder Vermächtnisnehmer eingesetzt, so kann der Sozialhilfeträger den Erbteil kraft Gesetzes auf sich überleiten und diesen verwerten. Auch wenn das Kind von den Eltern enterbt wird, besteht ein Pflichtteilsanspruch, der ebenfalls auf den Sozialhilfeträger übergeleitet werden kann.

Bei einer solchen Testamentsgestaltung oder für den Fall, dass die Eltern es bei der gesetzlichen Erbfolge belassen, besteht somit die Gefahr, dass das Familienvermögen verwertet wird und nicht dem Behinderten dauerhaft zugutekommt.

Es gibt jedoch Gestaltungsmöglichkeiten, die den Zugriff des Sozialhilfeträgers verhindern können.

Eine Gestaltungsvariante ist ein gemeinschaftliches Ehegattentestament der Eltern, in dem diese bei dem Tod des Erstversterbenden den überlebenden Ehegatten und das behinderte Kind als Erben einsetzten, wobei das behinderte Kind stets nur nicht befreiter Vorerbe ist. Für den Erbfall nach dem Tod des letztversterbenden Elternteils wird dann das behinderte Kind mit seinen etwaigen Geschwistern als Erben eingesetzt, wobei erneut das behinderte Kind nur Vorerbe sein darf. Der Erbteil des behinderten Kindes sollte dabei jeweils mindestens die Höhe seines Pflichtteils (Hälfte des gesetzlichen Erbteils) betragen. Als jeweilige Nacherben kommen der längerlebende Ehegatte (zumindest im ersten Erbfall), Abkömmlinge des behinderten Kindes und/oder seine Geschwister in Betracht.

Diese Testamentsgestaltung muss durch eine Dauertestamentsvollstreckung flankiert werden. Der Testamentsvollstrecker wird zudem durch eine genaue Verwaltungsanordnung angewiesen, dem Behinderten stets nur Geld- oder Sachleistungen aus dem Erbteil in Art und Höhe zuzuwenden, auf die der Sozialhilfeträger nicht zugreifen kann.

Die Vor- und Nacherbschaft sowie die Testamentsvollstreckung verhindern, dass der Sozialhilfeträger auf das Erbe zugreifen kann und gewährleisten gleichzeitig, dass das Kind Erträge aus der Erbmasse erhalten kann.

Der Bundesgerichtshof hat ein solches Behindertentestament zudem anerkannt und gerade nicht als sittenwidrig eingestuft. Vielmehr handele es sich bei dem Behindertentestament um einen Ausdruck der anzuerkennenden sittlichen Sorge der Eltern für ihr Kind.

Es gibt jedoch eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten, so dass jeder Einzelfall gesondert geprüft werden muss und vor Urkundenerrichtung eine ausführliche Beratung beim Notar erfolgen sollte. Zudem gibt es neben dem behinderten Kind häufig auch noch weitere Kinder, die ebenfalls gleichwertig bedacht werden sollen. Da diese in der vorbezeichneten Gestaltungsvariante im ersten Erbfall nichts erhalten, müssten noch weitere Regelungen getroffen werden.

 

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