09.11.2020

Wie kann eine Immobilienfinanzierung erfolgen, wenn der Verkäufer selbst noch einen Kredit abbezahlt und eine Grundschuld auf die Immobilie eingetragen ist?

Von Notarin Bettina Selzer

Viele Käufer einer Immobilie nehmen zur Finanzierung des Kaufpreises einen Kredit auf. In der Regel wird dies durch den Eintrag einer Grundschuld zugunsten der finanzierenden Bank besichert. Doch wie kann eine Finanzierung erfolgen, wenn für den Verkäufer ebenfalls noch eine Grundschuld auf die Immobilie im Grundbuch eingetragen ist?

Ein Beispiel: Familie Schulze möchte vom Ehepaar Meier ein Haus kaufen. Hierfür benötigt sie eine Finanzierung von ihrer Hausbank. Das Ehepaar Meier hatte das Haus vor 20 Jahren mit Hilfe eines Immobiliendarlehens gekauft und anschließend kreditfinanziert ausgebaut. Aus diesen Finanzierungen existieren noch Schulden in Höhe von 110.000 Euro, die das Ehepaar Meier aus dem Erlös des Verkaufs bezahlen möchte. Diese Kredite sind ebenfalls mit einer Grundschuld auf das Haus bzw. Grundstück besichert.

Ein scheinbares Dilemma: Die Bank der Meiers wird nicht auf ihren Grundschuldanspruch vorzeitig verzichten wollen. Er ist ja die Sicherheit für das noch fällige Restdarlehen. Gleichzeitig möchte die Bank der Schulzes für die Finanzierung des Kaufpreises eine Besicherung durch Eintragung einer Grundschuld im höchsten Rang. Und natürlich möchten die Schulzes, wenn sie den Kaufpreis erst einmal bezahlt haben, keine alte Grundschuld für die Kredite der Meiers übernehmen.

Wie wird nun sichergestellt, dass der Kaufpreis erst dann gezahlt wird, wenn der Käufer ausreichend abgesichert und die neue Grundschuld zugunsten der finanzierenden Bank des Käufers eingetragen wird?

Hierbei spielt der Notar eine ganz entscheidende Rolle: Er ist nicht nur für die Beurkundung des Immobilienkaufvertrages selbst zuständig, sondern stellt auch die ordnungsgemäße Abwicklung der Grundschuldeinträge und Kreditrückzahlung beim Verkäufer sicher.

Vereinfacht gesprochen wird der Notar im vorgestellten Fall vor Abschluss des Kaufvertrages von der Bank der Meiers eine Löschungsbewilligung für die alte Grundschuld einholen. Die Bank wird die Löschungsbewilligung in aller Regel erteilen, unter der Voraussetzung, dass sie das Restdarlehen erhält. Damit verbunden ist ein Treuhandauftrag an den Notar. Nun kann der Notar mit den Beteiligten den Kaufvertrag beurkunden und die neue Grundschuld der Schulzes eintragen lassen. Sobald der Kaufpreis bezahlt und das Restdarlehen der Meiers getilgt wurde, kann der Notar den alte Grundbucheintrag löschen lassen.

Bei der Bezahlung des Kaufpreises ist sicherzustellen, dass die Bank der Meiers ihr Restdarlehen nebst Zinsen und einer gegebenenfalls fälligen Vorfälligkeitsentschädigung in voller Höhe erstattet bekommt. Dies wird als Zahlungsanweisung im Immobilienkaufvertrag entsprechend festgelegt.

Vom Kaufpreis erfolgt zunächst die Zahlung des zur Ablösung des Grundpfandrechts erforderlichen Betrages an die Gläubigerin. Familie Schulze zahlt also einen Betrag in Höhe des Restdarlehens zuzüglich gegebenenfalls bestehender Zins- und Entschädigungsforderungen direkt auf das Finanzierungskonto der Bank des Ehepaars Meier. Anschließend kann ein etwaiger Restbetrag an das Ehepaar Meier ausgezahlt werden.

Juristischer Ablauf im Detail

So einfach das eben vorgestellte Vorgehen in der Praxis für Käufer und Verkäufer meist ist, sind vom Notar etliche Details zu beachten. Aus juristischer Sicht stellen sich die Lage und der Ablauf wie folgt dar. (Achtung: Es folgen nun einige Fachbegriffe.)

Aus dem notariellen Kaufvertrag ergibt sich regelmäßig, dass das Grundstück in Abteilung III lastenfrei verkauft wird. Der Käufer möchte selbstverständlich nicht mit einer Grundschuld des Verkäufers belastet werden. Dementsprechend wird die Löschung der zugunsten der Bank des Verkäufers bestehenden Grundschuld im Kaufvertrag vom Verkäufer beantragt.

Die Löschung einer Grundschuld kann jedoch nur mit Zustimmung des begünstigten Grundpfandrechtsgläubigers (d.h. der Bank des Verkäufers) erfolgen. So heißt es im notariellen Kaufvertrag auch üblicher Weise, dass die Löschung der Grundschuld „nach Maßgabe der Löschungs- oder Lastenfreistellungsbewilligung“ erfolgt, wobei es sich um eine durch den Grundpfandrechtsgläubiger, also die Bank des Verkäufers, erteilte Bewilligung handelt. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass regelmäßig im notariellen Kaufvertrag geregelt ist, dass der Verkäufer seinen Anspruch auf Kaufpreiszahlung in Höhe der Darlehensvaluta nebst Zinsen an den Grundpfandrechtsgläubiger, also die Bank des Verkäufers, abtritt, sofern das Lastenfreistellungsdokument unter einer Zahlungsauflage stehen sollte. Dies wird regelmäßig der Fall sein, falls das der Grundschuld zugrunde liegende Darlehen des Verkäufers noch nicht vollständig an seine Bank zurückgeführt worden ist. 

Demgegenüber wird die den Kauf finanzierende Bank des Käufers eine Besicherung ihres Darlehens mit einer eigenen Grundschuld verlangen. Daher erteilt der Verkäufer dem Käufer üblicher Weise im Kaufvertrag eine Vollmacht zur Kaufpreisfinanzierung. Mit der Vollmacht kann der Käufer die Immobilie durch Grundschuldbestellung schon unmittelbar nach der Beurkundung des Kaufvertrages belasten, bevor er Eigentümer der Immobilie geworden ist. Der Noch-Eigentümer muss ihn bevollmächtigen, die Immobilie schon im Grundbuch zu belasten. Anderenfalls würde es den wenigsten Käufern gelingen, eine Immobilie zu finanzieren, da der Kaufpreis schon bezahlt werden muss, bevor der Käufer Eigentümer der Immobilie wird und sie diese ohne Zustimmung des Verkäufers mit einem Grundpfandrecht, also einer Grundschuld, nicht belasten dürfen.

Darüber hinaus wird die finanzierende Bank des Käufers auch sicher gehen wollen, dass die Grundschuld zugunsten des Grundgrundpfandrechtsgläubigers, also der Bank des Verkäufers, auch tatsächlich gelöscht wird.

Wie läuft dies nun technisch ab:

  • Wer fordert die Löschungs- oder Lastenfreistellungsbewilligung bei der Bank des Verkäufers an?
  • Wie stellt die den Kaufpreis finanzierende Bank des Käufers sicher, dass das Darlehen nur zur Auszahlung kommt, wenn auch die Grundschuld zugunsten des Grundpfandrechtsgläubigers des Verkäufers gelöscht werden kann?

Dieser Vorgang gehört zu den Hauptaufgaben eines Notars nach der Beurkundung eines Immobilienkaufvertrages.

Im Rahmen der sogenannten Abwicklung eines Grundstück- oder Wohnungskaufvertrages fordert der Notar bei der Bank des Verkäufers die Lastenfreistellungsbewilligung an. Diese erteilt dem Notar dann die Löschungsbewilligung und einen Treuhandauftrag dahingehend, den Zahlungsvorgang zu überwachen und die Löschung der alten Grundschuld der Bank des Verkäufers nur zu veranlassen, wenn die Bank des Verkäufers ihm den Erhalt der restlichen Darlehenssumme bestätigt hat.

Wenn dem Notar die Löschungsbewilligung vorliegt, ist eine der Kaufpreisfälligkeitsvoraussetzungen erfüllt. Der Notar wird den Kaufpreis erst fällig stellen, wenn diese Voraussetzung erfüllt ist.

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