03.12.2021

Weshalb ein Pflichtteilsverzicht oder auch ein Erbverzicht bei Patchworkfamilien beliebt ist

Von Notarin Bettina Selzer

Patchworkfamilien haben es nicht leicht. Es dauert oft Jahre, bis sie zusammenwachsen und sich die Familienmitglieder vertrauen können. Die gewonnene Harmonie und das Vertrauen möchte man nicht leichtfertig wieder aufs Spiel setzen. Auch dann nicht, wenn der zweite Ehegatte sich der Frage stellen muss, ob er/sie nach dem Tod des Ehegatten noch im Eigenheim wohnen bleiben oder das Familienunternehmen weiterführen kann, weil die erwachsenen Kinder aus der ersten Ehe des Ehegatten ihren Pflichtteil nach dessen Tod geltend machen könnten.

Selbst wenn ausreichend anderes Vermögen vorhanden ist, um das Eigenheim oder das Familienunternehmen behalten und die Kinder auszahlen zu können, wird man sich nach dem Tod des Ehegatten über die Höhe des Zahlungsanspruchs der pflichtteilsberechtigten Kinder auseinandersetzen müssen.

Diese Fragen werden im fortgeschrittenen Alter immer quälender. Eine frühzeitige Beschäftigung zu Lebzeiten beider Ehegatten ist daher dringend anzuraten. So lassen sich ungewollte Folgen oder gar gerichtliche Auseinandersetzungen mit erbberechtigten Kindern vermeiden.

Die klassische Kernfamilie und das Berliner Testament

Ehegatten, die viele Jahre in erster Ehe leben und gemeinsame Kinder haben, schließen immer noch gerne ein sogenanntes Berliner Testament ab. Dann ist es meist üblich, dass die Kinder ihren Pflichtteil nicht geltend machen nach dem ersten Erbfall, weil sie auf jeden Fall nach dem zweiten Erbfall alles erben oder zumindest ihren gesetzlichen Pflichtteilsanspruch nach § 2303 BGB geltend machen können.

Berliner Testament bei Patchworkfamilien oft nicht geeignet

Das Berliner Testament ist für Patchworkfamilien häufig nicht geeignet, denn hier haben die Kinder diese Sicherheit nicht. In der Regel werden sie deshalb nach dem ersten Erbfall ihres leiblichen Elternteils ihren gesetzlichen Pflichtteil geltend machen, sofern sie nicht dann schon direkt erben.

Durch ein Testament kann man zwar den zweiten Ehegatten zum Alleinerben einsetzen und damit die Abkömmlinge des Erblassers von der Erbfolge ausschließen, also enterben, die Kinder aus der ersten Ehe oder Beziehung haben aber dennoch einen Pflichtteilsanspruch in Höhe der Hälfte ihres gesetzlichen Erbanspruches.

Das bedeutet, die Kinder können vom überlebenden Ehegatten die Auszahlung ihres Pflichtteils verlangen. Notfalls muss der Ehegatte dazu das Familienhaus und das Unternehmen aufgeben, um die Zahlung leisten zu können. In der Regel zerbricht dann natürlich auch die gute Beziehung, die zu den Stiefkindern in langen Jahren aufgebaut worden ist. Man hat also im Todesfall des Ehepartners gleich mehrere Probleme zu bewältigen.

Pflichtteilsverzicht und Erbverzicht als Instrument zur Nachlassregelung in Patchworkfamilien

Eine Möglichkeit, um den Nachlass in Patchworkfamilien frühzeitig einvernehmlich zu regeln, kann die Vereinbarung eines Pflichtteilsverzichts oder Erbverzichts sein. Im Rahmen einer notariellen Beratung wird gemeinsam geklärt, ob und wie weit es sinnvoll ist, die erwachsenen Kinder hierum zu bitten.

Bei einem Erbverzicht verzichtet das Kind auf sein gesamtes gesetzliches Erbe und damit auch auf sein Pflichtteilsrecht. Beim Pflichtteilsrechtsverzicht wird nur auf den Pflichtteil verzichtet, nicht auf das Erbe. Wenn die Ehegatten also wollen, dass die Kinder nicht erben, müssen diese enterbt werden. Dazu genügt es, wenn der andere Ehegatte zum Alleinerben oder Vollerben eingesetzt wird.

Pflichtteilsverzicht und Erbverzicht werden durch eine notarielle Beurkundung erklärt, an der sowohl der Erblasser als auch die Verzichtenden beteiligt sind. Nur damit sind sie wirksam.

Es ist möglich, dass die Verzichtenden nur auf ihren Pflichtteil in Bezug auf einen Teil des Vermögens verzichten, also beispielsweise auf das Haus oder das Unternehmen. Von etwaigen Aktien und anderen Vermögenswerten hätten sie dann noch einen Auszahlungsanspruch, diese würden in die Berechnung des Vermögens noch einfließen.

Wegen der damit verbundenen Planungssicherheit wird in Patchworkfamilien allerdings gerne mit den Kindern ein vollständiger Erbverzicht vereinbart. Manchmal erfolgt hierfür eine Gegenleistung, beispielsweise durch die Übertragung einer anderen Immobilie oder durch Zahlung einer bestimmten Summe, die aus einer Kapitallebensversicherung erwartet wird.

So haben sämtliche Beteiligte Planungssicherheit und müssen nicht mit einem Bruch in der Familie rechnen. Konflikte, die im Zusammenhang mit einem gewünschten Pflichtteilsverzicht verbunden sind, werden von beiden Eheleuten gemeinsam mit den Kindern gelöst. Sie müssen dann nicht mehr von einem Ehepartner alleine nach der Testamentseröffnung ausgetragen werden.

Weitere Informationen zu den Besonderheiten beim Vererben in Patchworkfamilien finden Sie auch in folgenden Fachbeiträgen:

Testament und Erbe: Vererben und Pflichtteil in der Patchworkfamilie

Erben und Vererben in der Patchwork-Familie

Das Unternehmertestament

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