17.12.2024

Ratgeber Erbe und Erbschaftssteuer: Die Güterstandsschaukel

Von Notarin Bettina Selzer

Die sogenannte Güterstandsschaukel ermöglicht es, die Belastung durch Schenkungs- und Erbschaftssteuer legal zu reduzieren, wenn in einer intakten Ehe mit Zugewinngemeinschaft Vermögenswerte ungleich verteilt sind. Warum diese Methode ein beliebtes Instrument für den Vermögensausgleich ist und welche rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten sind, erläutert dieser Fachbeitrag.

Möglichkeiten des Vermögensausgleichs in der Ehe

Eheleute haben unterschiedliche rechtliche und steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten, um Vermögen auszugleichen oder neu zu verteilen. Die Wahl der Methode kann erhebliche Auswirkungen auf steuerliche Belastungen und rechtliche Absicherungen haben.

1. Direkte Vermögensübertragung

Die direkte Übertragung von Vermögenswerten vom vermögenderen zum weniger vermögenden Ehepartner erscheint zunächst naheliegend. Dabei gelten jedoch folgende steuerrechtliche Einschränkungen:

  • Schenkungen unter Ehegatten sind nur bis zu einem Freibetrag von 500.000 EUR innerhalb eines Zehn-Jahres-Zeitraums steuerfrei.
  • Übersteigt der Wert der Übertragung diesen Freibetrag, fällt Schenkungsteuer an.

2. Modifizierung des Güterstands

Ehepartner können durch einen notariell beurkundeten Ehevertrag den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft anpassen. Dies bietet folgende Möglichkeiten:

  • Sie können bestimmte Vermögenswerte vom Zugewinnausgleich ausnehmen.
  • Sie können einen modifizierten Zugewinnausgleich vereinbaren, der an die individuellen Bedürfnisse angepasst ist.

3. Güterstandsschaukel

Eine bewährte Methode zur steueroptimierten Vermögensübertragung bei ungleich verteiltem Ehevermögen ist die sogenannte Güterstandsschaukel. Mit ihr lassen sich steuerliche Nachteile minimieren und ein möglicher Erbfall günstig vorbereiten.

  • Bei der Güterstandsschaukel wechseln die Ehepartner vom gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft in die Gütertrennung.
  • Der Zugewinnausgleich wird berechnet und steuerfrei vollzogen.
  • Anschließend kehren die Ehepartner, falls gewünscht, wieder in die Zugewinngemeinschaft zurück.
  • Im Bedarfsfall lässt sich dieses Vorgehen wiederholen.

Der zentrale Vorteil besteht darin, dass der Zugewinnausgleich nicht der Schenkungssteuer unterliegt. Dies erlaubt es, auch erhebliche Vermögenswerte steuerfrei zwischen den Ehepartnern zu übertragen.

Wichtig: Die Güterstandsschaukel wird von Finanzbehörden kritisch geprüft. Es ist unabdingbar, dass die Vermögensübertragung tatsächlich erfolgt und keine Hinweise auf ein Scheingeschäft vorliegen.

Wann ist die Güterstandsschaukel sinnvoll? Ein typisches Beispiel aus der Praxis:

In einer Unternehmerfamilie hat die Ehefrau die Kinder erzogen und gleichzeitig im Unternehmen des Ehemannes mitgearbeitet. Die während der Ehe erworbenen, wertvollen Immobilien wurden jedoch ausschließlich auf den Namen des Ehemanns im Grundbuch eingetragen. Verstirbt der Unternehmer zuerst, würde ohne vorausschauende Maßnahmen eine erhebliche Erbschaftssteuer anfallen, was einen beträchtlichen Vermögensverlust für die Familie zur Folge hätte.

Die Güterstandsschaukel ermöglicht es, Vermögenswerte bereits zu Lebzeiten zwischen den Ehepartnern auszugleichen, ohne dass dabei Schenkungssteuer anfällt. Die Ehegatten wechseln den Güterstand, führen den Güterstandsausgleich durch und verbleiben in der Ehe. Eine Scheidung ist hierfür nicht erforderlich.

Darüber hinaus bietet die Güterstandsschaukel langfristige steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten, da Schenkungsfreibeträge gemäß § 16 ErbStG alle zehn Jahre erneut genutzt werden können. Um mögliche steuerliche oder rechtliche Risiken zu vermeiden, sollte jedoch eine detaillierte Beratung durch einen Notar und Steuerberater erfolgen.

So funktioniert die Güterstandsschaukel: Ablauf und steuerliche Optimierung

1. Wechsel zur Gütertrennung

Die Güterstandsschaukel beginnt mit dem Abschluss eines notariellen Ehevertrages, der den bisherigen Güterstand der Zugewinngemeinschaft beendet und die Gütertrennung einführt.

Durch den Wechsel in die Gütertrennung entsteht eine Forderung auf Ausgleich des Zugewinns seit Beginn der Ehe. Dieser Ausgleich ist steuerfrei und unterliegt nicht der Schenkungssteuer.

Der Zugewinnausgleich kann nicht nur in Geld, sondern auch durch die Übertragung von Immobilien erfolgen, was die Vorbereitung steueroptimierter Erbregelungen erleichtert. Dabei ist § 23 EStG zu beachten, da Immobilien unter Umständen steuerpflichtig werden können, wenn die zehnjährige Spekulationsfrist nicht eingehalten wird. Eine frühzeitige steuerliche Prüfung ist ratsam.

Der vermögendere Ehepartner überträgt dem anderen Ehepartner Vermögenswerte als Ausgleich. Beide Ehepartner setzen anschließend die gemeinsamen Kinder zu Erben ein, wodurch jeder den erbschaftssteuerlichen Freibetrag ausschöpfen kann. Insgesamt können die steuerlichen Freibeträge so verdoppelt werden.

Zusätzlich können die Ehepartner nach dem Güterstandswechsel alle zehn Jahre die persönlichen Schenkungsfreibeträge gemäß § 16 ErbStG erneut nutzen.

 

Freibeträge bei Erbschafts- und Schenkungssteuer im Dezember 2024:

 

Steuerklasse I

  • Ehegatten und eingetragene Lebenspartner: 500.000 Euro
  • Kinder und Stiefkinder: 400.000 Euro
  • Enkelkinder (wenn Eltern bereits verstorben sind): 400.000 Euro
  • Enkelkinder (wenn Eltern noch leben): 200.000 Euro
  • Urenkel: 100.000 Euro
  • Eltern und Großeltern (bei Erwerb von Todes wegen): 100.000 Euro

Steuerklasse II

  • Geschwister: 20.000 Euro
  • Neffen und Nichten: 20.000 Euro
  • Stiefeltern: 20.000 Euro
  • Schwiegerkinder: 20.000 Euro
  • Schwiegereltern: 20.000 Euro
  • Geschiedene Ehegatten und getrennte Lebenspartner: 20.000 Euro

Steuerklasse III

  • Alle übrigen Personen (z.B. nicht verwandte Personen): 20.000 Euro

 

Zusätzlich zu diesen Freibeträgen gibt es noch besondere Regelungen:

  1. Für Hausrat einschließlich Wäsche und Kleidung gilt in der Steuerklasse I ein zusätzlicher Freibetrag von 41.000 Euro.
  2. Für andere bewegliche körperliche Gegenstände (z.B. Autos) gibt es in der Steuerklasse I einen weiteren Freibetrag von 12.000 Euro.
  3. In den Steuerklassen II und III beträgt der Gesamtfreibetrag für Hausrat und andere bewegliche körperliche Gegenstände maximal 12.000 Euro.

 

2. Erneutes Eintreten in die Zugewinngemeinschaft

Der Wechsel von der Zugewinngemeinschaft in die Gütertrennung kann erbrechtliche Nachteile haben. Daher ist es oftmals sinnvoll, anschließend erneut in den Güterstand der Zugewinngemeinschaft zurückzukehren, was ebenfalls durch einen notariellen Ehevertrag geregelt wird.

Diese Abfolge – zuerst der Wechsel zur Gütertrennung, gefolgt von der Rückkehr zur Zugewinngemeinschaft – wird als Güterstandsschaukel bezeichnet.

Bei der Rückkehr verbleibt das zuvor durch den Zugewinnausgleich steuerfrei übertragene Vermögen beim begünstigten Ehepartner; der steuerliche Schutz bleibt erhalten. Durch den erneuten Eintritt in die Zugewinngemeinschaft wird jedoch der künftige Zugewinn gemäß § 5 ErbStG steuerlich begünstigt. Zudem sichert der Güterstand dem überlebenden Ehepartner einen gesetzlichen Erbteil von ½ neben den Kindern.

Rechtlicher Hintergrund: Eigentum und Vermögensordnung in der Ehe

 Ist kein notarieller Ehevertrag vorhanden, gilt in Deutschland der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Dabei bleibt das Vermögen jedes Ehegatten in dessen Eigentum. Entgegen weit verbreiteter Irrtümer wird weder das zu Beginn der Ehe vorhandene noch das später erworbene Vermögen gemeinschaftliches Eigentum (§ 1363 Abs. 2 BGB).

Im Scheidungsfall wird lediglich der während der Ehezeit erwirtschaftete Zugewinn betrachtet. Der Ehepartner mit dem höheren Zugewinn muss diesen Mehrbetrag ausgleichen.

Der Zugewinnausgleich erfolgt im gesetzlichen Güterstand (§ 1363 BGB) durch einen Zahlungsanspruch (§§ 1373 ff. BGB), der schenkungssteuerfrei ist. Schenkungen zwischen Ehegatten unterliegen hingegen der Schenkungssteuer, wenn der Freibetrag überschritten wird.

Die Güterstandsschaukel macht sich dies zunutze: Bei ungleich verteiltem Vermögen kann ein steuerfreier Vermögensausgleich durch einen Ehevertrag mit Güterstandswechsel erfolgen. Ein solcher familienrechtlicher Vertrag, notariell beurkundet, wird vom Finanzamt als legitimer Rechtsgrund anerkannt und löst in der Regel keine Schenkungssteuer aus.

Hinweis für Ehen mit Auslandsbezug

Besitzt einer der Ehepartner eine ausländische Staatsangehörigkeit oder bestehen Vermögenswerte im Ausland, können abweichende güter- und steuerrechtliche Regelungen zur Anwendung kommen. In solchen Fällen ist eine Beratung durch Experten für internationales Familien- und Steuerrecht unerlässlich, um alle relevanten rechtlichen und steuerlichen Aspekte zu berücksichtigen.

Rechtliche Anerkennung der Güterstandsschaukel durch den Bundesfinanzhof

Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 12. Juli 2005 die Güterstandsschaukel als zulässiges Mittel anerkannt, vorausgesetzt, dass die Vermögensübertragung tatsächlich erfolgt und keine Anzeichen für ein Scheingeschäft vorliegen. Dieses Urteil wurde auch durch jüngere Rechtsprechung bestätigt.

Die strikte Einhaltung aller formalen Anforderungen sowie die tatsächliche Durchführung der Vereinbarungen sind jedoch essenziell, um steuerrechtliche Risiken zu vermeiden. Eine notarielle Beratung ist dabei unabdingbar, um die Rechtssicherheit der Vereinbarungen zu gewährleisten.

Fazit

Die Güterstandsschaukel ist insbesondere bei größeren, ungleich verteilten Vermögenswerten innerhalb einer Ehe eine effektive Methode, um steuerliche Freibeträge optimal zu nutzen und Vermögen rechtssicher zu übertragen.

Unser Notarbüro unterstützt Sie gerne bei der individuellen Beratung sowie der rechtssicheren Gestaltung und Beurkundung der erforderlichen Verträge.

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