12.01.2022

Erbscheinsantrag – Stellt man diesen lieber bei Gericht oder bei einem Notar?

Von Sonja Reiff Notarin

Liegt kein notarielles Testament oder Erbvertrag vor, benötigen Erben einen Erbschein, um ihren Anspruch nachzuweisen und das Erbe antreten zu können. Der Erbschein kann beim Notar oder beim zuständigen Nachlassgericht beantragt werden. Die Inanspruchnahme des Notars zur Beantragung hat gegenüber der Beantragung bei Gericht einige wesentliche Vorteile, wie dieser Fachbeitrag zeigt.

Am vorteilhaftesten ist es natürlich, wenn der Erblasser ein notarielles Testament oder einen Erbvertrag hinterlassen hat. Dann ist ein Erbschein in der Regel nicht notwendig. Um nachzuweisen, wer Erbe geworden ist, genügt das Eröffnungsprotokoll des Nachlassgerichtes, mit dem dieses das notarielle Testament oder den Erbvertrag eröffnet hat. Für die Eröffnung des Testaments oder Erbvertrages entstehen lediglich pauschale Gerichtskosten in Höhe von 100 €.

Mit dem Eröffnungsprotokoll kann auch beim Grundbuchamt ein Grundbuchberichtigungsantrag gestellt werden, sodass Immobilien des Erblassers auf die Erben umgeschrieben werden können. Auch hierfür ist somit bei Vorliegen eines notariellen Testaments oder Erbvertrages kein Erbschein erforderlich.

Liegt jedoch kein notarielles Testament oder Erbvertrag, sondern ein handschriftliches Testament des Erblassers vor, wird ein Erbschein benötigt. Nur mit dem Erbschein kann dann der Erbe nachweisen, dass er tatsächlich Erbe ist und wie hoch sein Erbteil ist.

Wie erhält der Erbe einen Erbschein?

Der Erbschein muss beim zuständigen Nachlassgericht beantragt werden. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten:

  • Der Erbe geht direkt zum Nachlassgericht und stellt den Antrag auf Erteilung des Erbscheins zu Protokoll der Geschäftsstelle.
  • Der Erbe geht zu einem Notar und lässt dort den Antrag beurkunden.

Bei Gericht und beim Notar entstehen für die in dem Antrag auf Erteilung des Erbscheins erforderliche eidesstattliche Versicherung dieselben Gebühren. Die Gebühren sind im Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) für Gericht und Notare verbindlich festgelegt. Sie berechnen sich nach dem jeweiligen Nachlasswert.  

Vorteile des Antrages auf Erteilung des Erbscheins beim Notar

Die Beurkundung des Antrages auf Erteilung des Erbscheins bei einem Notar hat verschiedene Vorteile:

  • In der Regel ist es einfacher, beim Notar einen Termin zu erhalten und er ist in der tageszeitlichen Vergabe der Termine flexibler.
  • Zudem hat der Mandant im Notar einen festen Ansprechpartner. Er kann in Ruhe im Vorfeld vor der Beurkundung des Erbscheinsantrages offene Fragen klären.
  • Der Notar informiert und überprüft, dass die für den Antrag erforderlichen Personenstandsurkunden, wie Geburts- und Sterbeurkunden, ggf. Heiratsurkunden oder Scheidungsurteile vollständig und in der richtigen Form vorliegen.
  • Der Notar leitet den Antrag ans Gericht weiter und hakt auch bei diesem nach, falls der Erbscheinsantrag nach einer Weile noch nicht erstellt wurde. Sollte das Gericht bei der Erstellung noch Rückfragen haben, ist der Notar dem Mandanten behilflich, diese zu beantworten.

Diese gesamten Dienstleistungen erbringt der Notar für dieselbe Gebühr, die auch bei einer Beantragung des Erbscheins bei Gericht anfallen würde.  

Weitere Gerichtsgebühren unabhängig von der Antragstellung

Für die Erstellung des Erbscheins durch das Gericht entstehen anschließend noch einmal Gerichtsgebühren. Diese Gebühr entsteht unabhängig davon, ob der Antrag auf Erteilung des Erbscheins bei Gericht oder bei einem Notar gestellt wurde. Sie entspricht in der Höhe den vorherigen Gebühren für den Antrag des Erbscheins.

Die Inanspruchnahme des Notars zur Beantragung eines Erbscheins verursacht demnach dieselbe Gebühr wie bei Gericht. Sie hat gegenüber der direkten Beantragung bei Gericht jedoch viele Vorteile.

Meist die bessere Alternative: notarielles Testament oder Erbvertrag

Am vorteilhaftesten ist es jedoch, wenn der Erblasser bereits zu Lebzeiten ein notarielles Testament oder einen Erbvertrag bei einem Notar beurkundet.

Zum einen ist damit sichergestellt, dass der Wunsch des Erblassers in die richtige Form gebracht wird und es beim Erbfall dann nicht zu Auslegungsschwierigkeiten kommt. Bei solchen entstehen schließlich häufig Streitigkeiten zwischen den Erben, die ja gerade vom Erblasser nicht gewünscht sind.

Zum anderen ist das notarielle Testament oder der Erbvertrag im Vergleich zum Erbscheinsverfahren weitaus günstiger.

Für die Beurkundung eines Einzeltestaments und eines Erbscheinsantrags entstehen dieselben Gebühren, die sich nach dem Vermögen bzw. dem Nachlasswert richten. Bei einem notariellen Testament oder Erbvertrag fällt für die Eröffnung desselben jedoch nur eine kleine Pauschalgebühr bei Gericht von 100 € an, wogegen für die Erteilung eines Erbscheines erneut dieselbe Gebühr wie für den Antrag fällig wird. Es entstehen beim Erbscheinsverfahren gegenüber der Beurkundung eines Testaments somit die doppelten Gebühren, die sich nach dem jeweiligen Nachlasswert berechnen. Je nach Höhe des Erbes, können diese nicht ganz unerheblich sein.

Der Erblasser kann durch die Erstellung eines notariellen Testamentes oder Erbvertrages den Erben folglich nicht nur Kosten, sondern auch das Erbscheinsverfahren und somit weiteren Aufwand ersparen.

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